GESICHTER (M)EINE ZEIT- Fischer Verlag-Frankfurt/Main-Pronted in Poland-Kraków, ISBN 3/8301/0034/5

Karl ist ein Plus, während man mich als ein Minus bezeichnen könnte - ich sage es schon. Nie war ich ein Konformist und nie werde ich einer sein! Ich erarbeite mir meine Meinung, oft freilich erst, nachdem ich lange hin und her überlegt habe, bei Gott nicht leichtfertig. Aber wenn sie feststeht, verteidige ich sie leidenschaftlich. Ich will nicht behaupten, daß Karl leicht zu korrumpieren wäre, einfach weil er - als Plus eine Antitese zu mir, einem Minus - bereit ist, opportunistisch zu handeln. Ich bezfeifle auch, ob es jemand ernsthaft wagen würde, meinen Freud ein solches Verhalten vorzuwerfen - ihm, der doch alle Renaissance-Eigenschaften repräsentiert! Nichtsdestoweniger verhält sich ein "Plus-Charakter" ausgesprochen inkonsequent und komisch, wenn er einerseits überzeugt ist, seine Tochter Therese könnte niemals von Sex-Gangstern mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen verführt werden, und wenn er aber andereseits, kaum aus Österreich ausgereist, unverzüglich Ausschau nach jungen Mädchen hält - und das nicht unbedingt in keuschen Absichten! Haben diese Mädchen etwa keine Väter, die um ihre Töchter bangen? Würde einer dieser Väter nicht verzweifelt reagiere, sollte ihm seine Tochter eines Tages gestehen: "Ich hatte eine Affäre mit einem Professor aus Österreich - und jetzt erwarte ich ein Kind von ihm!"

 

 

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